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Oratorium „dass ein neuer
Anfang verbliebe“ 29.03.2002 Großenhain,
Marienkirche
von
Michael Bartsch
Passionsmusik im Crossover-Stil
Oratorium von Stefan Jänke
in Großenhain uraufgeführt
Geradezu übermächtig
scheint Johann Sebastian Bach die Weihnachts- und die Fastenzeit zu dominieren.
Jede zeitgenössische Alternative wird unwillkürlich an "dem"
Weihnachtsoratorium gemessen wie das des Dresdners Matthias Drude oder
eben an jenen beiden großen Passionen des ewigen Meisters. Um so
mutiger musste es erscheinen, ausgerechnet am sensiblen Karfreitag um die
Stunde der Gedächtnisliturgie ein neues Passionsoratorium aufzuführen,
besetzt mit der Elbland-Philharmonie, der Micha-Fuchs-Band und der vom
Musical kommenden Sängerin Bettina Weichert.
Die lange Schlange vor der
Großenhainer Marienkirche und die ganz überwiegende Ergriffenheit
der Besucher zeigen indessen, dass unsere Ohren auch im sakralen Raum toleranter
geworden sind. Es ist eben schon mehr als drei Jahrzehnte her, dass Synkopen
und swingende Rhythmen in die Kirchen Einzug hielten, Gospels gesungen
wurden und Webbers "Jesus Christ Superstar" diskutiert wurde. An diese
Zeit erinnern vor allem die Chorpassagen im Oratorium "dass ein neuer Anfang
verbliebe". Komponist Stefan Jänke hat kein Problem mit einer "musikalischen
Sprache, die die Leute täglich in Rundfunk und Fernsehen umgibt".
Und er bekennt sich zu seinem Lehrer Rainer Lischka, als vitaler, humorvoller
Komponist ohne avantgardistische Attitüden bekannt. So folgt denn
die Partitur traditionellen Rhythmen und einer klaren harmonischen Bezifferung,
benutzt leitmotivische Wiedererkennungseffekte. Das streng Oratorienhafte
überschreitet der junge Komponist auf ähnliche Weise wie das
große Vorbild Bach. Rezitative, handlungstreibende Textpassagen sind
dramatisch überhöht und geradezu opernhaft auskomponiert. Die
Textvorlage von Pfarrer Frank Richter folgt nicht linear dem Johannesevangelium.
Richter greift einzelne, auch politische Aspekte des Geschehens heraus,
reflektiert mehr über Grundfragen des Glaubens.
Für Stefan Jänke
war es die Examensarbeit als Kompositionsstudent und zugleich die Gelegenheit,
sich auf ein großes Werk zu konzentrieren. Zum Erfolg trug gewiss
nicht nur das "Heimspiel" in Großenhain bei, wo sein Vater als Kirchenmusiker
agiert und ein vorbildliches kirchenmusikalisches Klima herrscht. Die Kantorei
hat Stefan selbst einstudiert. "Überwältigend" fanden es ältere,
"poppig" jüngere Zuhörer. Jänke sprengt mit dem eingängigen
Werk nicht den Rahmen, führt aber dennoch weiter als die gewöhnlichen
Karfreitagsrituale. Die Uraufführung soll bei weitem nicht die letzte
gewesen sein, und nur, wer mit dem Begriff "Crossover" Vorurteile verbindet,
mag sich über diese Form des Passionsgedenkens mokieren.
Dieser Artikel erschien
in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ vom 02.04.2002 und ist auch auf
http://www.marienkirche-grossenhain.de/rezensionen.htm
nachzulesen.
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