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2 Faces, Trust
20.11.2001 Zedtlitz, Pfarrscheune
von
rls
Im Kirchenbezirk Borna ist
es fast schon Tradition, die Jugendveranstaltungen zur Friedensdekade mit
der einen oder anderen Band oder auch mal einem Liedermacher auszuschmücken.
So war's auch 2001 - die Abschlußveranstaltung nennt sich "Nacht
für den Frieden", nutzt die Tatsache aus, daß der darauffolgende
Buß- und Bettag in Sachsen immer noch ein Feiertag ist (im Gegensatz
zum benachbarten Thüringen, wo der Rezensent seinem Broterwerb nachgeht)
und zieht sich dementsprechend bis weit in die Nacht hinein. Nachdem ich
mir anno 2000 aus Zeit- und Stilkompatibilitätsmangelgründen
Di Grine Kuzine geklemmt hatte, war ich diesmal wieder vor Ort, zumal mir
Jugendwart Andreas Bergmann die Begutachtung Trusts nachdrücklich
empfohlen hatte.
Selbige Trust stellten mit
ihrem Set unter Beweis, daß ihr Name das Unoriginellste an ihnen
war. Klar, den Kirchenrock hat der Sechser nicht neu erfunden, aber das
war auch nicht Sinn und Zweck der Sache, und im traditionellen Poprocksektor
noch was völlig Neues zu machen, ist heutzutage eh nahezu unmöglich,
und so konzentrierten sich Trust darauf, ihre Stärken konsequent einzusetzen
("Kernkompetenzen bedienen" nennt man sowas heutzutage im Managerdeutsch)
und den ganz grob betrachtet irgendwo in der Nähe von Toto oder auch
dem elektrifizierten Dylan anzusiedelnden Songs ihren Stempel aufzudrücken.
Hilfreich waren der Band, in der die Herren der Schöpfung eine Zweidrittelmehrheit
besitzen, dabei einesteils die multiinstrumentellen Fähigkeiten der
einzelnen Mitglieder. Jedes beherrscht mindestens zwei Instrumente, und
so kamen nicht nur für die klassische Rockbesetzung untypische Instrumente
wie Geige oder Cello zum Einsatz, sondern es wurde auch dem Instrumententausch
gefrönt, wobei der anfängliche Gitarrist den Vogel abschoß,
indem er nach einer Zwischenstation am Keyboard schließlich hinterm
Schlagzeug landete. Erstaunlicherweise waren in den verschiedenen Besetzungen
auch noch so gut wie keine Qualitätsunterschiede festzustellen (ebensowenig
in der Setlist - fast alle Tracks bewegten sich auf einem gleichbleibend
guten Niveau ohne größere Ausfaller nach oben oder unten). Der
zweite Trumpf Trusts indes war noch gewichtiger (wobei dieser Satz nicht
im physischen Sinne zu verstehen ist): Die Band hat gleich zwei ausgezeichnete
Sängerinnen im Line-Up. Beide heben sich wohltuend von den üblichen
"Angelic Voices" ab, besitzen recht kräftige und mitteltonorientierte,
aber trotzdem klare und ausdrucksstarke Stimmen und prägen damit das
akustische Gesamtbild Trusts in beträchtlichem Maße. Vor allem
der zweistimmige Harmoniegesang ließ einem etliche wohlige Schauer
über den Rücken laufen, wurde aber andererseits auch nicht so
überstrapaziert, daß der Hörer wegen eines "Dauerschauers"
etwa hätte abstumpfen können (wir erinnern uns: Alle Mitglieder,
also auch beide Sängerinnen, spielten ebenfalls noch andere Instrumente).
Wenn es Trust schaffen, a) zusammenzubleiben, b) sich gelegentlich einen
originelleren Namen einfallen zu lassen, c) noch ein wenig Routine in Stageacting
und Songwriting zu bekommen, d) den E-Gitarrensound ein wenig vom Prinzip
"Rasierapparat" wegzubekommen und e) in einigen wenigen Passagen allzu
deutliche Vorbildtracks vergessen zu machen (gleich mehrmals gab's bei
mir "Knocking On Heaven's Door"-Alarm, obwohl es sich an allen betreffenden
Stellen um Eigenkompositionen handelte), ist ein Aufstieg auf der Erfolgsleiter
alles andere als eine Unmöglichkeit, denn Potential steckt in diesem
westsächsischen Sechser eine große Menge. Kleine Anekdote noch
am Rande: Schon die Väter einiger Mitglieder spielten vor x Jahren
gemeinsam in einer Band - nun rückt die junge Generation massiv nach.
Nahezu der kompletten anwesenden
Hundertschaft unbekannt waren 2 Faces - allerdings nur dem Namen nach,
denn dieser vermeintliche Bandname erwies sich schnell als Quasi-Arbeitstitel,
den man ebensogut in "Die Üblichen Verdächtigen" hätte ändern
können. Eine lustig zusammengewürfelte Truppe aus Smörebröd-Relikten,
Ten Sing KGB-Aktivisten und Mitgliedern der chamäleonartig agierenden
bandartigen Formationen um Jugendwart Andreas Bergmann stand da auf der
Bühne und intonierte zumeist recht altrockige Covers von "Mercedes
Benz" (starke A-Cappella-Version gleich zum Auftakt!) über "Join
Me" (Gesang üben, Kollege - bis zu Ville Valo ist es noch ein
weiter Weg) bis hin zu "All Along The Watchtower". Auch hier war besetzungstechnischer
Wechsel an der Tagesordnung - niemand spielte wirklich den kompletten Set
durch; Andreas an Gesang und Gitarre, das nomen nudum an den Drums und
Bassistin Sandra (die witzigerweise auf der Bühne immer eine Mimik
zeigt, als ob sie im nächsten Moment losweinen, sterben oder erbrechen
müßte) waren die Vielbeschäftigtsten in dieser kompetent
gespielten und unterhaltsamen knappen Stunde. Nix Neues (bis auf das angesprochene
"Mercedes Benz", das ich in dieser Version von der Truppe noch nicht gehört
hatte), aber solide Qualität mit dem bekannten, leicht chaotischen
Touch (befördert noch durch die riesige Bühne in der recht gemütlichen
Pfarrscheune - die Bassisten beider Formationen standen von vornherein
gar nicht mit oben) und insgesamt ein guter Übergang zum anschließenden
Mitternachtsgottesdienst, auf den ich aus eingangs genanntem Grund aber
verzichtete.
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