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10 Jahre Ten Sing Annaberg    10.11.2001     Cranzahl, Turnerheim
von rls

Im Herbst 1991 muß im südsächsischen Bergland das Ten Sing-Fieber grassiert haben. Wie sonst ist es erklärlich, daß an einem Tag Ten Sing Auerbach sein 10jähriges Bestehen feiern konnte und am nächsten Ten Sing Annaberg das seinige? Nun hatten die Auerbacher Pech mit einem Wintereinbruch, der just an diesem Nachmittag die Straßenverhältnisse alles andere als ideal machte, während am Folgetag wenigstens die Hauptverkehrsadern wieder frei (und dankenswerterweise selbst nachts nicht überfroren) waren, so daß ich mich guten Gewissens auf den Weg in die Berge, wo nach einem alten erzgebirgischen Sprichwort Gott nah ist (auf dem platten Lande hauset der Teufel, heißt es dort weiter), begeben konnte. Daß ich trotz meines Eintreffens 20 Minuten vor Beginn keinen Sitzplatz mehr im geräumigen Saal des Turnerheims fand, sollte sich als doppelter Glücksfall herausstellen - erstens hatte ich erstklassige Bühnensicht, und zweitens war mein Rückenleiden am nächsten Tag vorerst wie weggeblasen. Ordentlich durchgeheizt war der Saal auch, und die über 500 Zuschauer harrten gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
Wenn man wollte, könnte man die Show in wenige Worte fassen: "Fast chronologisches Konglomerat aus den Programmen der letzten zehn Jahre". Aber ganz so einfach will es sich der Rezensent dann doch nicht machen. Die Schnitzerstube aus einer der drei eröffnenden Schauspielszenen sollte das einzige regionaltypische Kolorit des Abends bleiben (nicht zufällig hießen die beiden Schnitzer Anton und Günther), und mit "Oh Happy Day" griff man gleich ganz tief in die Mottenkiste, denn das war der Titeltrack des ersten Programms aus dem Jahre 1992. Überhaupt hatte man musikalisch einen sehr bunten Strauß gepflückt und diesen in der bekannten Besetzung "Band + riesiger Chor" in die Vase gestellt, wobei die Bandbesetzung fast mit jedem Track wechselte und neben den üblichen Rockinstrumenten auch die Bläserfraktion sinnvoll eingebunden wurde (auch wenn sie soundlich bisweilen mit etwas zu viel Nichtachtung gestraft wurde). Gesanglich gaben sich alle Mitwirkenden große Mühe, nur wurde leider deutlich, daß exquisite Solosänger auch im Erzgebirge nicht auf den Bäumen wachsen - Licht und zumindest Halbschatten wechselten sich hier munter ab (eine Normalerscheinung bei Ten Sing, dies sei hinzugefügt). Dafür umschifften die Annaberger eine der klassischen Achillesfersen von Ten Sing-Programmen mit Eleganz: Die Tanzperformances waren stimmig, ausdrucksstark und vor allem synchron. Auch bei der Pantomime "As It Is In Heaven", einer Adaption des "Vater unser", lief es einem ob der dichten Atmosphäre wahlweise warm oder eiskalt den Rücken runter. Dazu waren die Schauspielszenen sicher nicht gedacht, aber besonders das "zusammengewürfelte" "Technik, die begeistert" konnte begeistern, ohne damit eine etwaige Ironie in die Worte zu legen - ausfallende Mikros und eine bisweilen mangelnde Sichtbarkeit der eingespielten Videosequenzen aus den letzten zehn Jahren machten das Kraut nicht entscheidend fett. Da besagte Videoeinspiele getätigt wurden, während die Bühnenformation im regulären Programm fortfuhr, kam es bisweilen zu recht ulkigen Kombinationen, und überhaupt herrschte eine zwar dem Anlaß angemessene würdige, aber doch auch lockere und witzige Stimmung, die dankenswerterweise auch durch den weitgehenden Verzicht auf ausschweifende Grußworte unterstützt wurde (der frühere spiritus rector der Ten Sing-Formation, Eberhard Heiße, wußte sich kurz zu fassen). Aber zurück zur Musik, die den Hauptanteil des Abends bildete: Bon Jovis "It's My Life" scheint langsam zum Hit bei Ten Sings zu werden (und mußte als außerplanmäßige Zugabe noch ein zweites Mal gespielt werden). Für den stürmischsten Applaus sorgte allerdings "With A Little Help From My Friends", in dem sich die Band, die sonst sehr songdienlich agierte, kurzzeitig in eine ekstatisch losfrickelnde Altrockformation verwandelte, aus der der exzellente Schlagzeuger, der als einziger Musiker den Löwenanteil des Sets mit bestritt und zwei unglaubliche Soli beisteuerte, noch einmal herausragte. Die furiose Version von "I Will Survive", die das Original der Hermes House Band förmlich aus den Latschen blies, hatte ich eigentlich als Abschluß des regulären Programms erwartet, aber mit dem ollen Midnight Oil-Track "Beds Are Burning" setzten die ca. 60 Mitwirkenden noch eins drauf (auch der besitzt im Original längst nicht soviel bombastische Energie). Klar, daß Ten Sing Annaberg nicht ohne Zugabe verschwinden durfte - ich hatte allerdings gehofft, von "Knocking On Heaven's Door" verschont zu bleiben, was letztlich aber nicht eintrat. Wenigstens besaß die Annaberger Version dieses totgespielten Tracks eigenes Flair und viel Energie - und sie legte vom Können der Mitwirkenden Zeugnis ab, wobei sich hier mal der Gitarrist in den Vordergrund stellen durfte. Weit über zwei Stunden dauerte diese Geburtstagsfeier, die kleine Schwächen durch große Stärken zu kompensieren wußte. Eine Umbenennung in "Twenty Sing" steht zwar nicht zur Debatte, aber auch für die kommende Zeit haben die Annaberger schon viele Ideen, unter denen die eingegangene Partnerschaft mit Ten Sing Keresztur (Rumänien) eine der interessantesten ist. Wünschen wir den Mädels & Jungs dafür alles Gute und dauerhaften Beistand von oben.
Zum guten Schluß noch ein paar optische Impressionen dieses Abends. Noch mehr derselben gibt's auf http://tszehn.kaufs-world.de zu bestaunen, wo auch die sechs hier folgenden herstammen.

 
 



 



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