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Johannes Kirchberg: Halb so
wild 26.03.2001 Leipzig, Moritzbastei
von
*tf
Drei halbe Stühle, ein
halber Tisch, ein halber Regenschirm. Die Bestückung der Bühne
in der ausverkauften Veranstaltungstonne der Leipziger Moritzbastei sah
spannend aus. Nach einem einleitenden Pianosolo von Enrico Wirth Tumult
hinter der letzten Zuschauerreihe: Johannes Kirchberg himself bahnte sich
mit einem überdimensionalen Geschenkkarton den Weg auf die Bühne,
dabei laut nach seinem Weibe rufend. Er war nur mal kurz Zigaretten holen.
Wo man dies eben tut. In Mailand, New York, Paris... Passend dazu wirf
er neben anderen Marken eine Schachtel „Sparta“ auf den Tisch. Die Story:
Drei Tage war er weg. In Paris. Nun ist sie weg: Dorothea. Die ihr zustehende
Hälfte hat sie mitgenommen. Auch die Farben des an der Bühnenrückseite
angepinnten Bildes. In Monologen und Liedern setzt sich Kirchberg mit der
Situation auseinander. Sehr szenisch, sehr pointiert. Bereits anfänglich
unterstreicht dies auch die musikalische Umsetzung. Im selbstverfertigten
Songs gibt’s geschickt eingewebte Fremdpassagen: In einem Taxi nach Paris
– über sieben Brücken muss sie gehen – bis zum Horizont und noch
weiter – Freiheit, Freiheit! Was macht ein Mann mit solch hingeworfener
Freiheit... Er bilanziert, philosophiert, kaschiert und versucht, die drei
Geschichten der verflossenen Beziehung – deine, meine und die, die wir
unseren Freunden auf Nachfrage erzählen - in eine zu gießen.
Dies gelingt in einem überzeugend gemeisterten Spagat zwischen Kabarett,
Klamauk und Poesie (Einzig der Umstand, dass kurz vor der Pause die ausgerastete
Antenne von Kirchbergs Headset ihn als Schwänzchen zierte, ließ
unfreiwillige Komik aufkeimen...). Kirchberg ist Kirchberg auf der Bühne.
Ein Mensch zum Anfassen, sich selber nicht zu ernst nehmend. Für manchen
im Publikum auch ein Mensch wie du und ich. Sein bereits bisher zu ahnendes
schauspielerisches Talent wird in diesem Programm erstmals realisiert.
Auch Wirth beginnt, sich aus seiner Rolle als „Nur“-Pianist zu emanzipieren.
Lustvoll intonierte zweistimmige Passagen und die furiose 4-händige
Klaviertraktierung am Schluss des interaktiven Krrrrittttt-Liedes zeugen
davon. Szenenapplaus und Juchzer gab´s dafür. Neben den Liedern,
die extra fürs Programm geschrieben wurden – meistenteils von Tom
Reichel, gibt’s ein Wiederhören mit Tucholsky, Kästner und Kirchberg.
Dieser verhindert durch gekonnte Conference, dass „Halb so wild“ dadurch
in ein Nummernprogramm abkippt. Nach der Pause zeigte sich Wirth von seiner
offenherzigsten Seite sowie Bein. Der fiktive jiddisch von der Phonetik
wie vom Inhalt gefärbte Dialog zwischen altem und jungen Mann (gegen
eine Frau hilft nur eine Frau...) entlockte mit wirkungsvoll pointierten
Szenen dem Auditorium frenetischen Beifall. Am Schluss des Programms gab´s
ein Happy End mit Patt. Altmodisch romantisch. Mutig und logisch. Kirchberg
und Wirth wurden vom Publikum mit zahlreichen „Vorhängen“ belohnt,
revanchierten sich mit zwei Zugaben. Fazit: überaus sehenswert und
- eine Schande für einen Kritiker – nichts zu meckern.
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