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Liedermacher- und Gesangsseminar
12.-14.05.2000 Röhrsdorf, Rehgarten
Eine
Art Tagebuch von Katharina Päßler
12.05.00
„Hallo, ich bin der Uwe“,
begrüßt mich meine Mitfahrgelegenheit nach Chemnitz in typisch
Oberlausitzer Dialekt. Kurz ein paar Worte, dann ins Auto und los geht’s.
Im Wagen ist es wahnsinnig warm. Wir machen die Fenster auf und versuchen,
ein Gespräch anzukurbeln. Es ist schwierig, weil man wegen des Fahrtwindes
kaum etwas versteht. Trotzdem erzählt er mir ein bisschen was von
sich – wo er arbeitet, von seinem Bruder, seiner Zeit in Pirna; ich erzähle
auch ein bisschen von mir. Die Fahrt verläuft gut, kurz vor Chemnitz
ein kleiner Stau, dann im Chemnitz-Center, hinter Möbel-Tick in die
Einbahnstraße fahren. Plötzlich ändert sich das Bild –
man sieht und hört nichts mehr von der Autobahn und dem Einkaufszentrum.
Nur noch grüne Bäume, einen strahlend blauen Himmel und ein paar
Häuser. Uwe hält an. Aus dem Häuschen gegenüber kommt
uns lachend jemand entgegen: Wolfgang Tost. Unverwechselbar.
Wir bekommen unsere Zimmer
gezeigt. Ich bin in einem Einzelzimmer untergebracht, als einzige „Dame“.
Als ich das höre, wird mir schon ein bisschen komisch. Das kann ja
heiter werden! Aber ich füge mich. Zu ändern ist es eh nicht,
auch wenn ich gerne ein bisschen weibliche Gesellschaft gehabt hätte.
Ich gehe wieder raus in die
Sonne. Uwe ist schon da. Wir stehen etwas dümmlich in der Gegend herum,
wissen nicht, was wir machen sollen. Beschließen wieder einen Ortswechsel,
der allerdings durch das Auftauchen einer weiteren Person vorläufig
verhindert wird. Kurze Vorstellungsrunde, dann stockt das Gespräch.
Schließlich gehen wir in den Probenraum. Dort wieder zwei neue Gesichter,
u.a. Wolfgang Haubold, Gesangspädagoge. Zwischendurch schlägt
mir das Herz bis zum Hals, wenn ich daran denke, dass ich denen allen im
Verlauf des Abends meine Lieder vorstellen soll. Aber noch sind alle nett
zu mir, und nachdem wir ein bisschen geklampft haben, gibt’s erstmal was
zu essen.
Aber dann wird’s ernst. Vor
mir ist Uwe an der Reihe. Er spielt ein Lied, dann werten wir es aus. Das
heißt – die anderen werten es aus. Ich sitze still auf meinem Stuhl
und wünsche mir, ich hätte mich nie zu diesem Seminar angemeldet.
Uwe spielt noch ein Lied, das gleiche beginnt noch einmal von vorn. Dann
setzt er sich wieder.
„Und wer will jetzt?“, fragt
Wolfgang T. und sieht in die Runde. Dann bleibt sein Blick an mir hängen:
„Du?“, und sieht mich aufmunternd an. Jetzt oder nie, denke ich und nicke.
Stehe auf, gehe vor ans Mikrofon, reiche Textblätter in die Runde.
Dann erzähle ich etwas über das Lied, wie es entstanden ist,
was ich damit verbinde. Und schließlich fange ich an. Meine Finger
sind kalt, ich kann kaum die Akkorde auf der Gitarre greifen. Außerdem
bin ich es nicht gewöhnt, im Stehen zu spielen. Gerade fernsehreif
ist meine Leistung nicht, und als ich fertig bin, erwarte ich schon geradezu
die Kritik der anderen. Ich brauche nicht lange zu warten, aber sie fällt
milder aus, als ich gedacht hatte. Ich wundere mich ein bisschen, glaube
aber, dass es wohl an der hier verbreiteten Fairness liegt. Auch ich muss
zwei Lieder spielen. Aber diesmal wird es besser – ich bin nicht mehr ganz
so aufgeregt. Auch die Reaktionen sind positiver diesmal. Die beiden Wolfgangs
scheinen überrascht.
Es ist spät geworden.
Nachdem auch die anderen beiden Teilnehmer gespielt haben, sitzen wir im
Rüstzeitenheim zusammen und unterhalten uns. Ich bin wahnsinnig müde
und will eigentlich ins Bett, traue mich aber nicht, weil ich Angst habe,
die Stimmung kaputt zu machen. Also bleibe ich sitzen, beteilige mich so
gut es geht am Gespräch, schiele von Zeit zu Zeit auf die Uhr und
unterdrücke ein Gähnen. Der neue Tag hat schon angefangen, als
wir endlich beschließen, doch noch auf unsere Zimmer zu gehen.
13.05.00
Gegen acht Uhr weckt uns Wolfgang
T. mit einem Lied. Es ist schön, so aufzuwachen. Leider ist es noch
erbärmlich kalt heute morgen. Als wir nach der stillen Zeit zum Frühstück
gehen, friere ich ziemlich. Aber die frischen Brötchen wecken meine
Lebensgeister wieder.
Irgendwann im Laufe des Tages
kommt das Gespräch auf die Finanzen. Wolfgang T. sagt uns, dass er,
weil so wenige Teilnehmer da sind, ziemliche Miese gemacht hat. Das tut
mir leid für ihn. Auf der anderen Seite ist es gut so, weil wir dadurch
viel intensiver arbeiten können.
Die Proben verlaufen heute
viel besser. Ich bin ein wenig sicherer geworden. Nur mit den Tonbandaufnahmen
am Nachmittag habe ich so meine Probleme. Es ist das erste Mal, dass ich
sowas mache. Ich mag meine Stimme nicht.
Am Abend sieht Wolfgang T.
unsere Texte durch. Wieder mal merke ich, dass ich noch einen ziemlich
weiten Weg vor mir habe, bis ich gute Lieder schreiben werde. Aber besser,
diese Erkenntnis kommt jetzt als später.
Sehr viel zeitiger als am
Abend zuvor komme ich auch heute nicht ins Bett. Ich habe noch einen Einfall
für ein Lied. Ich liege bis spät in die Nacht unter meiner Decke
und schreibe an dem Text, bis mir die Augen zufallen. Fertig wird er nicht.
14.05.00
Wieder weckt uns Wolfgang
T. mit einem Lied. Weil heute morgen die Sonne so schön scheint, verlegen
wir die stille Zeit nach draußen. Das Frühstück danach
wieder genauso lecker wie am Tag zuvor. Dann eine letzte Probe. Schade,
dass es das schon gewesen sein soll. Nach dem Mittagessen rückt der
Zeitpunkt der Abreise immer näher. Noch schnell ein schönes Gruppenfoto
geschossen, dann große Verabschiedung. Schließlich steigen
alle in ihre Autos und fahren los. Ein bisschen traurig bin ich schon,
als sich der blaue Himmel und die Bäume wieder in die Autobahn mit
ihrem Lärm und der drückenden Hitze verwandeln.
Auf der Rückfahrt unterhalten
sich Uwe und ich wieder. Uns ist klar – wir sind im nächsten Jahr
wieder dabei! Ich hoffe, auch den Rest der Leute wieder zu sehen.
Uwe setzt mich zu Hause ab,
wird von meiner Familie zum Kaffee eingeladen. Wir reden, erzählen
von Chemnitz, von unseren Eindrücken. Irgendwann verabschiedet sich
auch Uwe. Erst jetzt ist das Seminar für mich richtig vorbei. Aber
nächstes Jahr ...
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