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Back Door, Die Hayden
28.01.2000 Frohburg, Schützenhaus
von
rls
Was tun, wenn man sowohl 'ne
Revivalband sein will als auch selber Songs schreibt? Klarer Fall: Man
gründet eben zwei Bands. So geschehen im Fall von fünf Jungs
aus dem westsächsischen Groitzsch, die ihr zehnjähriges Dienstjubiläum
sowohl mit Back Door als auch Den Hayden schon ein Weilchen hinter sich
haben, und da ich beide Bands schon jahrelang nicht mehr gesehen hatte,
nahm ich die Gelegenheit, sie in quasi unmittelbarer Nachbarschaft mal
wieder live zu begutachten, natürlich gerne an. Und obwohl das Schützenhaus
längst nicht mehr den legendären Status besitzt wie in DDR-Zeiten
oder in den Frühneunzigern, als es die einzige Disco im weiten Umkreis
war, wo man gelegentlich auch mal ein paar Rock- oder gar Metalsongs durch
die Boxen blies, und wo auch schon Grave Digger
oder die Dimple Minds spielten, ganz zu schweigen von den legendären
Gigs der besten Band, die der Kreis Geithain jemals hervorbrachte, nämlich
Healer (R.I.P.), so hatten sich doch zahlreiche Besucher eingefunden, unter
denen die "Vokuhila-und-Bierbauch-aber-die-alte-Jeansjacke-paßt-immer-noch"-Fraktion
recht zahlreich vertreten war.
75 Minuten Verspätung
sind im Schützenhaus nix Ungewöhnliches, und bis Die Hayden es
geschafft hatten, die Leute vom Biertresen weg und vor die Bühne zu
locken, dauerte es auch noch ein wenig. Erst ab Song 4 ("Paradies") begannen
einzelne Individuen mit Tanzaktivitäten, und von da an steigerte sich
die Stimmung im Saal immer mehr. Etwas überrascht war ich von der
aufgerüsteten Besetzung, denn zum Stammquintett gesellten sich ein
Trompeter und ein Saxophonist, die Keyboarder Holle einige von "seinen"
Parts stahlen, speziell bei den Tracks neueren Datums auch zahlreiche Leadparts
übernahmen und dem hymnengeladenen Deutschrock mitunter einen leicht
funkigen Anstrich verpaßten, der jedoch nie zu Lasten der Songdienlichkeit
ging. Allerdings hatte es der Soundmensch ein bißchen zu gut mit
den Bläsern gemeint, denn speziell der Trompetensound drängelte
sich gern in den Vordergrund und sorgte besonders bei hohen, spitz-schrillen
Attacken für akute Trommelfellüberreizungen, ganz abgesehen davon,
daß man so den einen oder anderen unsauberen Ansatz, vor allem zum
Anfang des Gigs, bestechend klar heraushören konnte. Von den Songs
sind mir die Titelsongs der beiden bisher erschienenen CDs, "Überlebenstour"
und "Adrenalin", als stärkste im Gedächtnis haften geblieben,
und den kultigsten gab's nach knapp 90 Minuten als Zugabe: Zu "Vorbei"
wurde ein riesiges Horn auf die Bühne geschleppt, dessen ultratiefe
Baßparts sich anhörten, als ob tief unter der Erde ein alter
Bergwerksstollen einstürzen würde. In der Setlist tummelten sich
neben uralten Songs aus den Achtzigern (u.a. einem gewissen "Scheißlied")
auch diverse neue Tracks, die es in absehbarer Zeit auf Silberling Numero
drei geben soll - man darf also gespannt sein.
Nach einer halben Stunde Pause
betrat der Stammfünfer, bestehend aus Büffel (voc), Zwitsch (g),
Holle (key), Ergee (b) und Higgins (dr), erneut die Bretter und agierte
fortan als Back Door. Wie der Name schon assoziiert, sind es in erster
Linie (aber nicht ausschließlich) Songs einer Band, die die Groitzscher
auf ihrer Coverliste stehen haben, nämlich die Werke der Doors. Große
Teile des Publikums schienen hauptsächlich gekommen zu sein, um die
in der Kindheit heimlich via RIAS oder Ochsenkopf gehörten Kulttracks
auch mal wieder livehaftig in Ohrenschein zu nehmen, und wurden von akutem
Bewegungsdrang erfaßt, der sich natürlich nicht in wilden Pogoorgien,
sondern in mehr oder weniger gepflegten Normalotanzbewegungen auslud, und
da machte es auch gar nichts, daß da kein spindeldürrer Jim
Morrison am Mikro stand, sondern ein Kleiderschrank, der seinem Spitznamen
Büffel in puncto Körperfülle alle Ehre macht, dadurch einen
riesigen Resonanzraum besitzt, der es ihm erlaubte, auch gegen Setende
noch ellenlange hohe "Yeah"-Schreie loszulassen, und dessen energiegeladener
teerisolierter Gesang nach wie vor an einen um eine Oktave tiefergelegten
Fernando Garcia (Ex-Victory) erinnert. Auch die Herren an Gitarre und Tasten
tobten sich mit geradezu kindlicher Freude aus, wozu besonders die kilometerlangen
Instrumentalorgien Gelegenheit en gros boten. Daß kein wichtiger
Doors-Song fehlte, war klar ("Break On Through" oder der "Roadhouse Blues"
gehören nun einmal in den Set einer solchen Band wie der Weihrauch
in den Vatikan), und selbst die Tatsachen, daß "L.A. Woman" zwar
sehr gut umgesetzt war, aber an den Kultstatus der Leningrad Cowboys-Liveversion
natürlich nicht herankam, und daß "Light My Fire" zwar mit wunderbar
dahinfließenden Orgeln gesegnet war, aber erstens weit unter 20 Minuten
dauerte und zweitens die geniale Abstrusität von Type
O Negatives Umsetzung auf der "October Rust"-Tour gar nicht erreichen
konnte, fielen als Störfaktoren keinesfalls ins Gewicht - im Gegenteil:
Diese 90 Minuten, als letzte Zugabe Steppenwolfs "Born To Be Wild" auffahrend
und einen völlig ausgepumpten Büffel hinterlassend, unterstrichen,
daß erstens die Türen damals außerordentliche Musik geschrieben
haben, die zweitens eine mindestens gute Band zur Umsetzung erfordert und
daß Back Door drittens eine solche sind. Fazit: Das Konglomerat Back
Door / Die Hayden weiß noch immer zu überzeugen, und da die
Jungs live sehr aktiv sind, sollte sich sicher irgendwann irgendwo eine
Gelegenheit bieten, sie anzuchecken. Lohnt sich!
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